Buchtip: Wir brauchen neue Namen
NoViolet Bulawayo (2014): Wir brauchen neue Namen, Surkam Verlag, Berlin, ISBN 978-3-518-42451-3
Eines der besten Bücher, das ich je gelesen habe. Gefühlvoll, kritisch, ehrlich,... einfach alles!
"In meinem Traum, der kein Traum- Traum ist, weil er in Wahrheit auch passiert ist, kommen die Bulldozer angedampft. Aber bevor wir sie sehen hören wir sie. (…) Dann kommt Josephat Großvater ohne seinen Gehstock die Freedom Street runtergerannt und schreit, Sie kommen, Herrgott, sie kommen! Alle stehen auf der Straße mit langen Hälsen und warten darauf, dass sie was sehen. Dann schreit Mutter, Darlingkommsofortinshaus!, aber da sind die Bulldozer schon ganz nahe, groß und gelb und schrecklich mit Metallzähnen und Staub und Wirbel. Die Männer auf den Bulldozern lachen. Ich höre die Erwachsenen fragen, Warum warum warum, was haben wir getan, was haben wir getan? Dann kommen die Laster mit der Polizei und den Gewehren und den Gummiknüpeln, und wir rennen ins Haus, um uns zu verstecken, aber Verstecken hat keinen Sinn, weil die Bulldozer alles plattwalzen, sie walzen und walzen, und wir schreien und schreien. Die Väter werfen die Arme in die Luft wie Frauen und reden wütendes Zeug und treten Steine. Die Frauen schreien die Namen ihrer Kinder, um zu sehen, wo sie sind, (…). Und dann ist überall Staub von den bröselnden Wänden; er fliegt und in die Haare und in den Mund und die Nase, und wir husten und husten. Die Männer reißen unser Haus ab und Ncanes Haus und Josphates Haus und Bongis Haus und Sibos Haus und noch viel mehr Häuser. (…) Als die Bulldozer verschwinden, ist alles kaputt, alles zerschlagen, alles zerstört. Traurige Gesichter überall, stickiger Staub überall, eingefallene Mauern und Backsteine überall, Tränen überall auf den Gesichtern.“ (Bulawayo, 63f)
„Seht nur wie sie gehen in Scharen, die Kinder des Landes, sehr nur, sie gehen in Scharen. Die nichts haben, überqueren Grenzen. Die Kraft haben, überqueren Grenzen. Die ehrgeizig sind, überqueren Grenzen. Die Verluste beklagen, überqueren Grenzen. Die Schmerzen haben, überqueren Grenzen. Fahren, laufen, ziehen, gehen, wandern, verschwinden, fliegen, fliehen- überallhin, in nahe und ferne Ländern, Länder, von denen sie noch nie gehört haben, Länder, deren Namen sie nicht aussprechen können. Sie gehen in Scharen. Als alles auseinanderbricht, huschen und hasten die Kinder des Landes wie Vögel auf der Flucht vor einem brennenden Himmel. Sie fliehen das elende Land, auf dass ihr Hunger in fremden Ländern besänftigt, ihre Tränen in unbekannten Ländern getrocknet, die Wunden ihrer Verzweiflung in fernen Ländern verbunden, ihre blasigen Gebete in der Dunkelheit der wunderlichen Ländern gemurmelt werden. Seht, wie die Kinder des Landes in Scharen gehen, ihr eigenes Land verlassen mit blutenden Wunden am Leib du Entsetzen auf dem Gesicht und Blut im Herzen und Hunger im Bauch und Kummer in den Beinen. Ihre Mütter und Väter und Kinder zurücklassen, ihre Nabelschnüre im Bode, die Knochen ihrer Vorfahren in der Erde, alles, was sie zu dem macht, wer und was sie sind, weil sie unmöglich bleiben können. Nie wieder werden sie sein wie jetzt, denn man bleibt nicht derselbe, wenn man zulässt, wer und was man ist man bleibt nicht derselbe. Sehr nur,, sie gehen in Scharen, obwohl sie wissen, dass man sie kühl empfangen wird in jener Fremde, weil sie dort nicht hingehören, obwohl sie wissen, dass sie auf einer Pobacke werden sitzen müssen, weil man sie jederzeit auffordern kann, sich zu entfernen, obwohl sie wissen, dass sie gedämpfte flüstern werden, weil ihre Stimmen nicht die Stimmend er Besitzer des Landes ertränken dürfen, obwohl sie wissen, dass sie auf Zehenspitzen werden laufen müssen, um in der neuen Erde keine Spuren zu hinterlassen, um nicht für solche gehalten zu werden, die das Land für sich beanspruchen. Sehr nur, sie gehen in Scharen, Arm in Arm mir Verlust und Verlorenen, seht nur, wie sie gehen.“ (Bulawayo, 134f)
„Mit dem ganzen Schnee, mit der Sonne, die nicht da ist, mit der Kälte und Trostlosigkeit sieht das hier nicht aus wie mein Amerika, es sieht nicht mal echt aus. Ich komme mir vor wie in einer schrecklichen Geschichte, wie bei den irren Stellen in der Bibel, wo Gott Leute für ihre Sünden bestraft und sie mit dem Wetter unglücklich macht. Der Himmel, zum Beispiel ist schon die ganze Zeit, seit ich hier bin, weiß, daran merkt man, dass was nicht stimmt. Sogar ein Stein weiß, dass ein Himmel blau zu sein hat wie unser Himmel zu Hause. (…) Zu Hause würde ich bestimmt nicht rumstehen, weil ein sogenannter Schnee mich davon abhält, nach draußen zu gehen und meine Leben zu leben. Vielleicht würden Sbho und Bastard und Chipo und Godknows und Stina und ich nach Budapest gehen und Guaven klauen. (…) Andererseits hätten wir nicht genug zu essen, darum werde ich es in Amerika aushalten und den Schnee ertragen; hier gibt es Essen, alles, alles Sorten von essen. Aber manchmal macht mich das Essen nicht satt, egal, wie viel ich esse, als hätte ich Hunger nach meinem Land, und en kann nichts stillen.“ (Bulawayo, 139ff)
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