Auszug aus meinem Buch "HABARI YAKO Geschichten aus Kenia" ...
...sollte es dann irgendwann doch fertig werden.
Ich jedoch, ich liebe das „echte“ Kenia. Die Einfachheit, die Besinnung auf das Wesentliche und worum es im Leben wirklich geht. Diese Dinge sind es, die mich magisch immer wieder zurück in dieses Land am anderen Kontinent ziehen. Das stundenlange Warten auf das Abendessen, wenn für uns in Europa schon 15 Minuten im Restaurant zur Ungeduld anstiften. Wenn mitten unterm Essen plötzlich der Strom ausfällt und bei Kerzen oder Petroleumlampen das Mahl beendet wird. Der Sternenhimmel, an dem, so scheint es mir doch hunderte mehr leuchtende Punkte sein müssten, als in Europa, da man durch die Dunkelheit in der Nacht natürlich auch viele mehr am Firmament erkennen kann. Der ewige Stau in Nairobi, der ein pünktlich sein an einem gewissen Ort zum vereinbarten Zeitpunkt ein Ding der Unmöglichkeit werden lässt. Die „always happy“ Mentalität der KenianerInnen, ihrer Weisheiten, die mich oft erstaunen und vor allem zum Nachdenken anregen, und ihr schier endloser Glaube an Gott, der alles richten würde und auf dessen Kraft und Stärke sie sich alle verlassen und ihr Schicksal mehr oder weniger stark durch ihn erklären.
Kenia, entweder man liebt es oder man hasst es. Meiner Meinung nach aber lässt Afrika niemanden unberührt. Einst am Flughafen in Nairobi sprach ich mit einem Ehepaar aus der Tschechei, die da nur meinten: „Nie wieder. Nix funktioniert. Alles dreckig. Einfach furchtbar.“ Natürlich, das ist Afrika! Fliegt man nach Kenia ist es gut, alles, was man in Europa gewohnt ist, was für uns hier richtig oder falsch ist, auch zurück zu lassen so gut es geht. Den westlichen Maßstab in Kenia anzusetzen wäre so, als würde ich das Verhalten von Hunden mit den Augen einer Katze erklären wollen.
Versucht man aber Kenia nicht mit den Augen eines/ einer EuropäerIn zu sehen, dann wird man es lieben, so wie es ist. Einfach Kenia!
Wer also ohne jegliche Vorstellungen und Erwartungen, mit offenen Augen und warmem Herzen auf diesem Kontinent landet, wer sich nicht scheut auf Ungewohntes und Anderes zuzugehen, wer jeden und alles mit Toleranz so annimmt wie er, sie oder es eben ist, der wird wachsen, erleben, spüren und Eindrücke sammeln, wie es ihm oder ihr wohl kaum an einem anderen Ort besser gelingen würde. Nur eines ist sicher: Wer sich einmal in Afrika verliebt hat, den lässt es nicht mehr los. Der kommt immer und immer wieder zurück, ist gerne bereit den Luxus Europas zurück zu lassen um einfach zu leben, Neues zu erleben und frei zu sein.
ABER auch das ist Kenia ...
NAIROBI: Vor dem Tuskys, einer der großen Supermarktketten Kenias, in der Nähe der Tom Mboya Road, sitzt er da. Tag für Tag. JEDEN Tag! Seine Beine sind so verkrüppelt, dass er mit ihnen nicht gehen kann. Und dennoch, er lächelt. Ich weiß nicht, woher er die Kraft nimmt zu lächeln. Aber er tut es. Jeden Tag! Den ganzen Tag! Ich bin für mein Internship auf der Kenyatta University für Law ein Monat in Nairobi, und da für dieses meine einzige Aufgabe zu sein scheint, den ProfessorInnen in einer zweistündigen Powerpoint Präsentation zu erklären, wie man unterrichtet, habe ich viel Zeit um durch das Zentrum Nairobis zu wandern und zu beobachten.
Fast jeden Tag komme ich an ihm vorbei. Von unter beobachtet er die Passanten, die sich im Laufschritt eilig durch die Menschenmenge der immer überfüllten Straßen dieser Stadt kämpfen. Und er lächelt. Und ich lächle zurück. Jeden Tag. Öfters sogar mehrmals. Er kennt mich mittlerweile. Als „Mzungu“, sprich „European“ bist du in Kenia schnell bekannt. Ich bin wohl die einzige, die ihm ein Lächeln schenkt. Und er freut sich, so schein es mir, wenigstens etwas Beachtung zu bekommen, als Krüppel da unten, am Rande der Gesellschaft. Mehr als ein Lächeln kann ich ihm auch nicht schenken. Denn Geld gebe ich nicht, so mein Vorsatz. Niemals, um gerecht zu bleiben. Denn dann müsste ich ständig geben.
Afrika ist ein Fass ohne Boden so scheint es mir oft und hilflos muss ich mit ansehen, wie fast an jeder Straßenecke jemand um Almosen bettelt. Manchmal kaufe ich Bananen für die Babys der Frauen, die noch weniger für das ganze Leid können, als ihre Mütter selber. Oftmals mit tränenden Augen sehe ich Dinge, die mich erschrecken, gleichzeitig aber auch so wütend machen, dass ich dafür schwer Worte finden kann.
Wütend auf die Ungerechtigkeit auf dieser Erde, auf die westliche Welt, die mitansieht, wie ein ganzer Kontinent unterzugehen scheint, vor allem aber auf meine eigene Ohnmacht und Hilflosigkeit.
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